Dirk Bußmann
Der Teufel ist ein Eichhörnchen

(erschienen im November 2002)
Kurzgeschichten, die zum Nachdenken anregen.
(ISBN 3-934992-05-6)

Preis: 6,95 €


Über den Teufel im Detail

Es war neulich an einem Samstag Abend. Ich saß zu Hause vor dem Fernseher und trank eine Flasche Bier, griff in regelmäßigen Abständen in eine Chipstüte. Es war genau eines jener Wochenenden, an denen alle Freunde und Bekannte entweder nicht zu Hause oder zu müde für eine Abendgestaltung sind, bzw. bereits anderweitig zu Geburtstagen oder ähnlichem eingeladen werden – natürlich von Leuten, die man selbst gar nicht kennt. Also bleibt man an solchen Wochenenden zumeist in den eigenen vier Wänden, sieht, sofern man nicht auf irgendwelche anderen tollen Beschäftigungsmaßnahmen zurückgreifen kann, gelangweilt fern. So erging es auch mir an diesem besagten Samstag Abend. Ungewaschen und fern der Heimat dümpelte ich vor dem Fernseher herum und zappte mir einen dicken Daumen, einerseits weil ich keines der gewählten Programme länger als 1 ½ Minuten ertragen konnte, andererseits aufgrund der zunehmend schwächer werdenden Batterieleistung meiner Fernbedienung, wodurch ich desöfteren bis zu fünf mal fast schon gewaltsam auf einer Programmtaste herumdrücken mußte, bis sich eine Reaktion auf dem Bildschirm abzeichnete. Lästig sowas.

Mit einem Mal, es war während einer Werbepause, aus der ich durch verzweifeltes Tastendrücken an der Fernbedienung zu flüchten versuchte, knallte es zu meiner Linken. Es qualmte ein wenig, und ein aufdringlicher Geruch von Schwefel durchzog meine Nase. Ganz unangenehm war das. „Pfui Teufel”, dachte ich und traf damit – ohne es zu wissen – die Sache auf den Punkt.
„Was war das denn?” fragte ich mich und sah mich um. Zunächst war gar nichts zu sehen. Alles sah aus wie vorher. Und auf einmal, nachdem sich der Qualm verzogen hatte, nahm ich direkt neben mir eine schemenhafte Gestalt wahr, die auf ihrem Kopf kleine Hörner trug. Es war der Satan selbst, der sich allerdings wesentlich kleiner darstellte, als ich es vermutet hätte. Er winkte mir freundlich zu.

Was war da zu tun? Ihn ignorieren? Gut, er war keinen halben Meter groß, da konnte man schon ganz leicht dran vorbeischauen. Aber dann sprach er mich mit hoher, kreischender Stimme an. Mit Ignoranz kam ich also nicht weiter. „Sag, was willst du von mir?”
„Ich? Von dir?” entgegnete ich. „Nö, also, eigentlich nichts weiter.”
„Aber du hast mich doch gerufen!” keifte der Teufel.
„Was hab ich?” fragte ich irritiert. „Ich sitze hier ganz normal vor dem Fernseher. Ich hab überhaupt niemanden gerufen.”
„Doch! Du hast die sechs-sechs-sechs auf deiner Fernbedienung gedrück!”
„Wie jetzt?”
„Die sechshundertsechsundsechzig, du Eimer!” Der Teufel wurde zunehmend gereizter. „Das ist meine Nummer! Das weiß doch jeder! Also: Was willst du?”
„Ähem..., pbpbpbpb.” sagte ich zu ihm, und ich dachte es auch. Da war ich dann doch ratlos. Weiß der Teufel, welche Zahlen ich gerade auf der Fernbedienung gedrückt habe, man denkt da doch nicht großartig nach. Kann schon sein, das ich öfters die sechs erwischt hab. Wer rechnet denn mit so etwas?
„Was hast denn du mit meiner Fernbedienung zu schaffen?” fragte ich den kleinen Satan.
„Das ist halt so. Der Teufel sitzt immer im Detail! Kommen wir aber mal zur Sache hier: Willst du mir deine Seele verkaufen, oder was?”

Sagen sie selbst, was soll man als Atheist auf so etwas antworten? Schwierig, nicht war? Na ja, ich sagte dann etwas wie „ach ne, laß mal” und fragte ihn, ob er auch ein paar Chips wolle. Die lehnte er allerdings ab.
„Meine Aufgabe”, so erklärte er mir, „ist das Sammeln von Seelen. Das erfordert die ganze Aufmerksamkeit. Da kann man nicht nebenbei Chips essen.”
„Ach so.” sagte ich und überlegte, wie ich da wieder herauskäme. Meine Seele wollte ich auf gar keinen Fall verkaufen. Man hört da ja so viel Schlechtes. Also versuchte ich, vom Thema abzulenken.
„Sag mal, bist du eigentlich Kommunist?”
„Was soll ich sein, du?” ranzte er zurück und drohte mir mit dem Zeigefinger.
Stimmt. Eine blöde Frage. Nur weil hierzulande die Kommunisten verteufelt werden, muß der Teufel selber ja noch lange keiner sein.
„Was ist jetzt mit unserem Deal, du Penner? Hä? Paß auf: Du verkaufst mir jetzt gleich deine Seele. Da setzen wir so’nen ordentlichen Vertrag auf, dann hast du noch heute Abend ein neues Haus, schicke Autos, ‘ne Segelyacht, soviele Frauen wie du willst und diesen ganzen Klumpatsch! Das ist doch was, oder?”
„Naja”, erwiderte ich, und um Zeit zu schinden erbat ich mir auf jeden Fall eine Bedenkzeit. Er könne ja vielleicht doch derweil ein paar Kartoffelchips probieren.
„Die will ich nicht, das hatte ich bereits gesagt.”
Ich erklärte ihm, daß meine Kartoffelchips sowieso höllisch scharf seien, die wären auch gar nichts für kleine Teufel.
„Jetzt komm mir nicht so”, sagte der Teufel und linste in die Chipstüte, denn seine Neugier war geweckt.
„Naja”, meinte er schließlich, „ich kann ja mal kurz probieren. Deine Seele nehme ich dann später mit.” Er beugte sich vor und verschwand in der Chipstüte, denn ich hatte bereits einen Großteil des Inhalts gegessen und die letzten Chips lagen sehr weit unten. Das war die Gelegenheit. Ich reagierte blitzschnell und griff zu, nahm die Chipstüte und schlug sie so lange auf den Boden, bis sich nichts mehr rührte. Daraufhin verschloß ich sie mit einem Gummiband und – was soll ich sagen – seitdem steht der Teufel bei mir zu Hause eingepackt im Regal, und sollte mir in nächster Zeit mal irgendwer krumm kommen, dann lächle ich lediglich und verschenke besagte kleine Chipstüte...